Fake News in Zeiten der Infodemie

Mit Informationskompetenz Falschinformationen erkennen

Bild: Canva.com

In diesen unsicheren Zeiten der Pandemie wurde deutlich, dass sich Falschinformationen ebenso schnell verbreiten können wie ein Virus. Auf meinen Social-Media-Kanälen haben viele meiner Freunde Beiträge über vermeintliche Heilmittel oder Vorsichtsmaßnahmen gegen ein Anstecken geteilt. Selbst wenn die Tipps, die meine Freunde geteilt haben, eher harmlos waren – Tee trinken, Knoblauch essen, heiß duschen – kursierten auch gefährliche Ratschläge im Internet. So gefährlich, dass sie zu einem Krankenhausaufenthalt führen können, wie etwa ein Posting zur Einnahme von Chlordioxid, einer gefährlichen Chemikalie. Angst beeinträchtigt leider häufig das Urteilsvermögen. Insbesondere in Krisenzeiten wie der derzeitigen sogenannten „Infodemie“ ist es wichtig, Falschinformationen zu erkennen und sie von verlässlichen Nachrichten oder ärztlichen Empfehlungen zu unterscheiden.

Glücklicherweise üben Sie das jedes Mal, wenn Sie eine wissenschaftliche Arbeit schreiben. Diese Fähigkeit heißt „Informationskompetenz“ und Sie haben sie bestimmt in Ihrem Grundstudium erlernt. Dank Ihrer Informationskompetenz wissen Sie, wie Sie Informationen finden, mit ihnen arbeiten und deren Qualität beurteilen können. Diese Fähigkeit ist essenziell, wenn Sie auf eine schier endlose Anzahl an Quellen zugreifen können, aber unbedingt die beste, neueste und qualitativ hochwertigste Quelle zu dem Thema finden möchten, über das Sie schreiben. Wenn Sie das Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit mit dem Bau eines Hauses vergleichen würden, wären Ihre Quellen dessen Fundament – das muss halten, damit Ihre Argumentation nicht wackelt.

Verschiedene Quellenarten für Ihre Arbeit

Wie finden Sie diese verlässlichen Quellen? Und wie beurteilen Sie sie danach, ob sie gut geeignet sind oder nicht? Machen Sie sich zuerst das Leben dadurch leichter, dass Sie Ihre Recherche nicht mit einer Google-Suche beginnen. Sonst hätten Sie viel mehr Arbeit als nötig: Sie müssten die Qualität von viel zu vielen unzuverlässigen oder populärwissenschaftlichen Quellen zunächst beurteilen. Denn die Basis jeder Forschungsarbeit sollte aus wissenschaftlichen Quellen bestehen, die von Fachexperten verfasst und von ihnen geprüft wurden, meist in einem Peer-Review-Verfahren. Häufig handelt es sich bei wissenschaftlichen Quellen um Zeitschriftenaufsätze oder Bücher. Um solche auf ihre Qualität bereits geprüften Quellen zu finden, rufen Sie das Suchportal Ihrer Bibliothek auf oder steuern Sie gezielt Datenbanken für Zeitschriftenaufsätze oder Ihren Bibliothekskatalog für Bücher an. Halten Sie auch Ausschau nach „Fachinformationen“ auf der Webseite Ihrer Bibliothek, wo es eine Übersicht der Datenbanken Ihres Fachbereichs gibt. Je nach Forschungsgebiet eignen sich ganz unterschiedliche Informationsquellen und insbesondere, wenn Sie neu in einen Fachbereich eintauchen, finden Sie dort einen guten Einstieg.

Eignen sich Nachrichtenmeldungen?

Selbst wenn Sie fast immer Fachbücher und -artikel für Ihre eigene wissenschaftliche Arbeit verwenden, möchten Sie in bestimmten Situationen auch mit anderen Quellen arbeiten. In vergangenen Blog-Beiträgen hatten wir uns bereits „schwierige“ Quellen wie Wikipedia oder Social Media angeschaut. Aber eine Quellenart haben wir bisher nicht berücksichtigt: Nachrichten.

Nachrichtenagenturen und -sendungen wirken verlässlich und objektiv, allerdings sind ihre Produkte wie Artikel, Berichte, Infografiken, Podcasts und Videos keine wissenschaftlichen Quellen. Die Artikel werden von Journalisten geschrieben, die in der Regel Generalisten und keine Fachexperten in dem Bereich sind, über den sie schreiben. Gewissenhafte Journalisten werden für ihre Story verschiedene Experten eines Fachs befragen. Dennoch werden die Informationen durch den Journalisten gefiltert und verkürzt wiedergegeben, da die meisten Nachrichten kurz und knapp sein müssen. Deshalb lohnt es sich, die Originalarbeiten der in den Nachrichten genannten Forscher zu beschaffen. So können Sie sich selbst ein Bild des Ergebnisses machen, bevor Sie die Information für Ihre wissenschaftliche Arbeit verwenden. Vergleichbar mit Wikipedia oder Informationen auf Social Media können Nachrichtenberichte ein Ausgangspunkt für Ihre Suche nach den dort erwähnten Quellen und Wissenschaftlern sein, anstatt selbst eine zitierwürde Quelle darzustellen.

Nachrichtenberichte können dennoch in manchen Fällen wertvolle Primärquellen sein. Schreiben Sie beispielsweise eine Arbeit über ein Ereignis in der Vergangenheit, müssen Sie sich auf Zeitungsartikel oder Nachrichtensendungen berufen, um die Fakten zusammenzutragen oder sie in den zeitlichen Kontext setzen zu können. Sie könnten eine Nachrichtenmeldung auch aus weiteren Gründen zitieren wollen: wenn Sie die Meinungen von Menschen untersuchen, wenn Sie Beweise für Trends finden möchten, oder wenn Sie zu einem aktuellen, politischen oder kulturellen Thema forschen, zu dem es noch keine wissenschaftlichen Publikationen gibt.

Die Qualität der Nachrichten beurteilen

Leider leben wir in Zeiten von „Fake News“, in denen es kinderleicht ist, Falschmeldungen selbst zu verbreiten oder reale Nachrichten wie Artikel, Videos oder Bilder zu bearbeiten. In den sogenannten Deepfake-Videos gehen Fälscher sogar so weit, dass sie das Gesicht einer Person durch das einer anderen ersetzen. Dadurch ensteht der Eindruck, ein Politiker oder Promi sage oder mache etwas Undenkbares. Aber Fake-News müssen sich nicht immer neuester Technologie bedienen, um effektiv zu sein. Manchmal sind die subtilen Fälle die, die am schwierigsten aufzudecken sind. Ein Foto könnte zum Beispiel in einem völlig anderen Kontext gezeigt werden als es ursprünglich entstanden ist. Oder es könnte einem Zeitungsartikel eines anerkannten Verlagshauses ein neuer, hetzerischer Titel gegeben und dieser auf Social Media gepostet werden.

Glücklicherweise gibt es einige Organisationen, die Hintergrund-Checks bei Nachrichtenmeldungen durchführen, welche zu gut – oder zu schlecht – klingen, um wahr zu sein. Factcheck.org, Full Fact, PolitiFact oder Correktiv sind nur einige der bekanntesten, aber es werden immer mehr. Dort können Sie verifizieren, ob das was Sie gelesen haben wirklich stimmt – insbesondere bei Nachrichten, die sich viral verbreitet haben.

Bei Bildern gestaltet es sich manchmal schwieriger, falsche Informationen aufzudecken. Es gibt zum Glück einige Organisationen, die sich dieser Aufgabe stellen. Das News Provenance Project hat es sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe von Blockchain die Quelle eines Bildes zu ihrem Ursprung zurückverfolgen zu können. In der Zwischenzeit könnten Sie die Google-Rückwärtssuche für Bilder einsetzen, um zu sehen, wo, wann und in welchem Kontext das Bild bereits schon einmal auftauchte.

Setzen Sie Ihre Informationskompetenz ein

Auch wenn solche Tools hilfreich sein können, gibt es viele weitere Details, die Sie selbst evaluieren müssen. Glücklicherweise können Sie die grundlegenden Checks, die Sie bereits für Ihre anderen Quellen anwenden, auch auf Nachrichtenmeldungen übertragen. Sie würden bei den bibliographischen Daten oder Metadaten, die Sie für die Quelle finden können, anfangen. Beispielsweise könnten Sie prüfen, ob die Meldung einen Autor hat und falls ja, wer der Autor ist und ob er oder sie möglicherweise befangen sein könnte. In einem weiteren Schritt könnten Sie untersuchen, ob die Information aktuell oder schon veraltet ist. Schauen Sie sich auch an, wo die Nachricht veröffentlicht wurde, z.B. ob der Verlag als tendenziös eingeschätzt wird. Wenn Sie Citavi nutzen, um Ihre Quellen zu sammeln, erinnern Sie sich an diese wichtige Prüfung Ihrer Quellen, indem Sie allen neuen Quellen die Aufgabe „Prüfen“ vergeben.

Als nächstes schauen Sie sich den Inhalt der Quelle genauer an. Wird aufrührerische Sprache verwendet oder werden Vorurteile bedient? Werden verschiedene Sichtweisen dargestellt oder wird einseitig berichtet? Werden Fakten genannt, die Sie nachprüfen können – oder sagt der Autor nur seine Meinung? Gibt es Quellenangaben oder Links zu weiterführenden Ressourcen, auf die der Autor sich bezieht? Passt die Überschrift zum Inhalt?

Selbst wenn eine Quelle auf den ersten Blick in Ordnung erscheint, ihr Inhalt jedoch etwas seltsam ist, kann eine kurze Prüfung nicht schaden – haben Sie Ihre Sorgfaltspflicht wirklich erfüllt? Oder bestätigte der Inhalt Ihre eigenen Annahmen, sodass Sie davon ausgingen, dass es sich um Fakten handele? Menschen nehmen Informationen eher für bare Münze, wenn diese mit ihren eigenen Werten und Ansichten übereinstimmen. Das ist als „confirmation bias“ (dt. Bestätigungsfehler) bekannt und eine häufige Falle. In die bin auch ich hereingefallen, als ich ein Bild von Delphinen auf Social Media gesehen habe, die in den Kanälen Venedigs schwimmen. Da es für mich Sinn machte, dass sich die Natur Bereiche zurückerobert, wenn weniger Menschen sie verschmutzen, nahm ich diese Bilder ohne zu zögern als Tatsache hin. Erst später habe ich zufällig erfahren, dass die Aufnahmen in Wirklichkeit an der Küste Sardiniens entstanden sind.

Um die Bewertung zu erleichtern – nicht nur wenn Sie eine wissenschaftliche Arbeit schreiben – gibt es verschiedene Leitfäden, denen Sie folgen können.

Das englischsprachige Akronym IMVAIN eignet sich als Eselsbrücke für Ihre Prüfung: ob die Nachrichtenmeldung unabhängig (independent) ist, ob sie mehrere Quellen verwendet, ob die Informationen verifiziert werden können, ob die Quelle verlässlich (authoritative) und/oder fachkundig (informed) ist und ob ein Autor namentlich genannt wird. Sie finden mehr Tipps und Übungen auf Englisch bei der Stony Brook University.

Die International Federation of Library Associations (IFLA) bietet auch eine hilfreiche Infografik an:

Sie haben diese auf Englisch auch an die Besonderheiten von COVID-19 Fake News angepasst.

Manchmal hat man den Eindruck, dass das, was man an der Uni gelernt hat, im „echten Leben“ nicht wirklich hilfreich ist – das trifft auf Informationskompetenz nicht zu. Wenn Sie besser darin werden, Quellen zu beurteilen, hilft Ihnen das nicht nur beim Studium, sondern auch in Ihrer Karriere und im Alltag.

 

Sind Sie jemals auf Fake News in einem Artikel, Bild oder Video hereingefallen? Können Sie andere Methoden empfehlen, um Fake News zu enttarnen und seriöse Nachrichten zu finden? Wir freuen uns auf Ihren Bericht oder Ihre Empfehlung auf Facebook.

Erstellt von: Jennifer Schultz – Veröffentlicht am: 19.05.2020
Tags: Recherche Gut zu wissen


Über Jennifer Schultz

Jennifer Schultz ist die einzige Amerikanerin im Citavi-Team, was ihr ihre Kollegen aber (normalerweise) nicht verübeln. Ihre Leidenschaft, Wissenschaftler bei ihrer Arbeit zu unterstützen, brachte ihr einen erfolgreichen Studienabschluss. Sie mag es aber auch, schwierige Sprachen zu lernen, draußen in der Natur zu sein und ihre Nase in ein Buch zu stecken.

Get a regular dose of research inspiration. Enter your email address to get bi-weekly emails whenever new content is added.