#AcWriMo

Was steckt hinter dem Academic Writing Month?

Bild: Canva.com

Der November gilt in der wissenschaftlichen Community als ein besonderer Monat: er ist der sogenannte „Academic Writing Month“. Warum das so ist, seit wann es ihn gibt und was genau dahintersteckt, möchten wir im folgenden Blog-Beitrag aufzeigen.

Der Grundstein des Academic Writing Months (AcWriMo) wurde durch den „National Novel Writing Month“ (NaNoWriMo) gelegt. Bei diesem Event verfolgen Roman-Autorinnen und Autoren weltweit das Ziel, im Laufe des Novembers ein 50.000-Wörter-Manuskript zu verfassen.
Der Academic Writing Month hingegen ist speziell ausgerichtet auf das wissenschaftliche Schreiben. Im Unterschied zur festen Wortanzahl beim NaNoWriMo legt man beim AcWriMo sein Ziel individuell fest. Denn beim wissenschaftlichen Schreiben geht es im Vergleich zum Romanschreiben mitunter deutlich langsamer und mit weniger Wörtern zu. Von Disziplin zu Disziplin ist die Wortanzahl auch sehr unterschiedlich: eine mathematische Arbeit kann sehr kurz, eine historische hingegen sehr lang sein. Die Aktion richtet sich an alle, die wissenschaftliche Arbeiten schreiben: vom Erstsemester-Studenten an der ersten Hausarbeit, bis hin zur Professorin bei der Vorbereitung eines weiteren Fachbeitrags für ein Journal.

Charlotte Frost initiierte 2011 den ersten Academic Writing Month, den sie damals noch „Academic Book Writing Month“ nannte. Ihr Ziel: sie wollte sich bei ihrem Schreibprojekt nicht länger allein fühlen. Möglicherweise plagte sie auch ein Projekt-Blues. Deshalb hatte sie die Idee, ein Team von Gleichgesinnten zusammenzustellen, in dem jeder an seinem eigenen Projekt, aber doch gemeinsam schreibt. Über Twitter und den Blog PhD2Published wurden online die individuellen Erfolge geteilt und damit der Teamgeist gestärkt.

Die Wirkung der Teilnahme am AcWriMo ist heute noch die gleiche wie damals:
Dank der Aktion setzt man sich selbst eine Deadline und damit den für viele nötigen Druck, um mit dem Schreiben überhaupt erst zu beginnen. Der Gruppenzwang tut sein Übriges, denn man möchte vor den anderen Teilnehmern gut dastehen und gelobt werden, wenn man sein Ziel geschafft hat. Sagen zu können, dass man erfolgreich am Academic Writing Month teilgenommen hat, motiviert und man ist glücklich. Zusätzlich hat man einen wichtigen Abschnitt seines Schreibprojektes abgeschlossen.

Die ersehnten Ergebnisse der Aktion sind, dass man sich gegenseitig bei der Arbeit unterstützt, auch kleine Teilerfolge miteinander feiert und sich realistische Ziele zu stecken lernt. Denn egal ob Sie Ihr ursprüngliches Ziel erreicht haben oder nicht, Sie haben sich und Ihre Art zu Schreiben besser kennengelernt. Der Academic Writing Month kann als Startschuss für eine generelle Verbesserung der Arbeitsweise über den November hinaus verstanden werden.

Viele Universitäten, Verlage und andere Institutionen beteiligen sich an der Aktion und bieten unter anderem Veranstaltungen oder Webinare zu unterschiedlichen Themen rund ums Schreiben an, z.B. das WriteFest 2020 der University of Liverpool oder Webinare des SAGE Publishing Methodspace.

Warum ist das Schreiben überhaupt ein Problem?

Das Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten fällt vielen nicht leicht. Das zeigt sich auch durch die Bekanntheit und Reichweite des AcWriMo. Wenn man mit den Kollegen oder Kommilitoninnen spricht, werden nur wenige einen fröhlichen Gesichtsausdruck haben, wenn sie davon berichten, dass Sie gerade eine wissenschaftliche Arbeit verfassen. Warum ist das eigentlich so? Meist aus einem oder mehreren der folgenden Gründe:

  • Sie schreiben generell nicht gerne oder sind nicht gut darin
    Schon in der Schule waren die Asse in den naturwissenschaftlichen Fächern eher selten diejenigen, die auch im Deutsch-Aufsatz glänzten. Das Schreiben könnte Ihnen schlicht nicht liegen, denn Sie können besser mit Zahlen als mit Buchstaben umgehen. So haben viele keinen positiven Bezug zum Schreiben, es wird als Last nach der eigentlichen Forschungsarbeit empfunden. Man fühlt sich wie der Polizist, der nach einem spannenden Tag auf Streife am Abend den ungeliebten Bericht tippen muss.

  • Der innere Schweinehund hält sie vom Schreiben ab
    Eigentlich fällt Ihnen das Schreiben nicht schwer; wenn Sie erst einmal damit angefangen haben, funktioniert es ganz gut. Ihnen fehlt nur die nötige Motivation, überhaupt damit anzufangen. Derselbe innere Schweinehund, der Sie von Ihren Turnschuhen und dem Joggen am Morgen fernhält, schützt Sie auch vor Ihrer Computertastatur. Es gibt noch so viele andere Aufgaben, die Sie zuvor noch erledigen müssen, bis Sie mit dem Schreiben beginnen können.

  • Sie sind gefangen im Elfenbeinturm
    Ihre wissenschaftliche Arbeit findet im sprichwörtlichen Elfenbeinturm statt. Sie sitzen allein in Ihrem Büro am Schreibtisch und forschen. Erst wenn die Ergebnisse perfekt sind, möchten Sie sie Ihren Kollegen präsentieren. Ihr Stolz hält Sie auch davon ab, um Hilfe zu bitten, von Ihren Rückschlägen zu berichten oder die Zwischenergebnisse Ihrer Arbeit zu veröffentlichen.

  • Sie unterliegen dem Druck des „publish or perish“
    Eigentlich haben Sie schon viel zu viel zu tun: Sie geben Seminare, gehen Verwaltungsaufgaben nach, führen praktische Feldforschung durch und müssen nun auch noch Ihre Ergebnisse dringend zu Papier bringen. Ihnen fehlt nur die Zeit. Sie spüren aber ganz deutlich den Druck, Inhalte publizieren zu müssen, damit Ihre Arbeit wahrgenommen wird.

  • Sie sind leidenschaftlicher Teamplayer
    Selbst wenn man eine Arbeit im Autorenteam schreibt, findet die eigentliche Arbeit häufig nur virtuell im Team statt. Das Schreiben erledigt man praktisch für sich allein und fügt nur die Teile der Kollegen mit den eigenen Inhalten zusammen. Oder man schreibt gezwungenermaßen zeitversetzt, da die Kollegen am anderen Ende der Welt sitzen. Als Teamplayer können Sie nicht richtig aufblühen und fühlen sich alleingelassen und uninspiriert, wenn Sie in einem leeren, stillen Raum vor Ihrem PC sitzen.

Wie lösen Sie Ihr akutes Schreibproblem?

Das Schöne ist: Sie sind nicht allein mit Ihrem Schreib-Problem. Sprechen Sie mit Ihren Kollegen darüber, was ihnen beim Schreiben ihrer Publikationen schwerfällt. Berichten Sie ihnen von Ihren Problemen, welche Ansätze Sie erfolglos ausprobiert haben und welche Lösungen für Sie gut funktioniert haben. Es gibt kein Patentrezept, das für alle gilt, und es ist auch noch nie ein wissenschaftlicher Meister-Autor vom Himmel gefallen.

Weiten Sie Ihren Kollegenkreis aus, indem Sie am offiziellen Academic Writing Month teilnehmen! Um mitzumachen, folgen Sie diesen sechs Regeln:

  1. Setzen Sie sich selbst ein Ziel, z.B. eine bestimmte Anzahl an Wörtern oder Stunden, die Sie erreichen möchten. Das Ziel sollte realistisch sein, Sie aber auch herausfordern.
  2. Verkünden Sie Ihr Ziel öffentlich, z.B. auf Social Media.
  3. Bereiten Sie sich auf Ihren Schreibmonat vor, indem Sie sich freie Zeit zum Schreiben verschaffen und im Kalender blockieren, Literatur besorgt haben, etc.
  4. Berichten Sie von Ihren Fortschritten aber auch Rückschlägen auf Social Media.
  5. Arbeiten Sie hart und lassen Sie sich nicht ablenken.
  6. Geben Sie am Ende bekannt, ob Sie Ihr Ziel erreicht haben.

Nutzen Sie den Academic Writing Month auch, um über den gesamten Prozess der Wissenschaftskommunikation nachzudenken und sich in Erinnerung zu rufen, warum Sie die ungeliebte Schreibaufgabe überhaupt vor sich haben, z.B.:

  • Sie möchten Ihre Dissertation oder Masterarbeit endlich abschließen
  • Sie möchten Ihren Kollegen davon erzählen, was Sie herausgefunden haben.
  • Sie möchten, dass Ihre Arbeit gesehen und in Fachkreisen anerkannt wird.
  • Sie erhoffen sich mit Ihrer neuen Arbeit ein Jobangebot, Fördergelder oder eine andere Form der gesteigerten Reputation.

Kann man auch die Ursache beheben?

Man sollte doch mit Begeisterung vom eigenen Fachgebiet berichten wollen, andere überzeugen und sein neues Wissen teilen wollen. Vielleicht ist die Schriftform nur nicht das richtige Medium dafür, wenn viele Menschen damit Schwierigkeiten haben?
Wie könnte Wissenschaftskommunikation in der Zukunft aussehen?
Wie könnten wir unsere Ideen am besten für uns und unser Publikum präsentieren?

Ich möchte ein bisschen fantasieren. In Zukunft könnte es mehr alternative Publikationsformen geben, die mit textlichen Veröffentlichungen gleichwertig sind. So könnte ein Video, Podcast, Blog-Beitrag oder Social Media Posting zu einem Forschungsergebnis den gleichen Stellenwert und Impact haben, wie ein Fachaufsatz. Selbstverständlich müssten dafür neue Formen der Qualitätskontrolle in Anlehnung an den Peer Review etabliert werden. Vorträge und Poster bei Tagungen wären nicht zusätzlich in ausgearbeiteter Textform nötig. Denn das Wissen wurde geteilt, das Fachpublikum hat es diskutiert und bewertet, der Vortrag wurde aufgezeichnet und archiviert und kann somit zitiert werden. Auf ein Posting auf einem Forschungsnetzwerk könnte ebenso verwiesen werden wie auf einen Online-Artikel. Technisch dürfte dies über DOIs bereits möglich sein. Ein kontroverser Tweet über ein neues Ergebnis könnte zu einer größeren Beteiligung an der Fachdiskussion und damit auch mehr Qualitätskontrolle führen als ein Double-Blind-Peer-Review durch nur wenige Reviewer.

 

Auch über den Academic Writing Month hinaus gehört das Schreiben aber bis auf Weiteres zur wissenschaftlichen Arbeit mit dazu. Nutzen Sie das ganze Jahr über die Tipps, die Sie in dieser Zeit erhalten und ausprobieren werden. Dann wird Ihnen das Schreiben mit Sicherheit schon viel leichter fallen. Und wenn Sie mal eine Schreibblockade haben, malen Sie sich noch weitere, zukünftige Formen der Wissenschaftskommunikation aus!

 

Nehmen Sie dieses Jahr am AcWriMo teil? Folgen Sie uns auf Facebook und Twitter, um unsere Tipps zum wissenschaftlichen Schreiben zu erhalten! Welcher Tipp hat Ihnen das wissenschaftliche Schreiben erleichtert? Welche Publikationsform glauben Sie, wird in Zukunft die Textform ablösen? Über Ihre Kommentare freuen wir uns unterhalb unseres Facebook-Postings zum Blog-Beitrag oder per Mail an blog@citavi.com

 

Zur Vertiefung

Tarrant, Anna (2012): Academic Writing Month and the social landscape of academic practice. In: The Guardian, 01.11.2012. Online verfügbar unter https://www.theguardian.com/higher-education-network/blog/2012/nov/01/academic-writing-month-acwrimo-research, zuletzt geprüft am 28.10.2020.

 

Erstellt von: Jana Behrendt – Veröffentlicht am: 03.11.2020
Tags: Zeit managen Schreiben Gut zu wissen


Über Jana Behrendt

Jana Behrendt interessiert sich für alles rund um die persönliche Wissensorganisation – wie man es von einer studierten Bibliothekarin erwarten würde. Dafür liest sie in Ihrer Freizeit ziemlich wenig. Sie liebt es aber, in den Schweizer Bergen zu wandern – solange sie nicht nach unten schauen muss.

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