Mein (Tag-)Schatz!

Erstellen Sie mit Tags Ihren eigenen Thesaurus

Bildnachweis: Sharon McCutcheon on Unsplash

Wir stecken Dokumente (und zugegebenermaßen auch Menschen) gerne in Schubladen.
Der Nachteil dabei ist, dass wir uns für eine Schublade entscheiden müssen: Ein Dokument kann - ob gedruckt oder digital - in der Regel nur an einem Ort abgelegt werden. Um für Ordnung zu sorgen, werden die Schublade beschriftet oder der Ordner auf dem PC benannt, zum Beispiel mit „Studium“, und auch die Word-Datei erhält einen Namen wie „Seminararbeit DM 2“. Sich Jahre später noch an einen Dateinamen zu erinnern, kann jedoch eine ziemliche Herausforderung sein. Insbesondere, wenn man vergessen hat, dass DM für „Diskrete Mathematik“ steht und der Kurs im zweiten Semester stattfand.

Mehr Flexibilität bei der späteren Suche nach Dokumenten bekommen Sie, wenn Sie zusätzlich Tags einsetzen, um Ihre Materialien zu kennzeichnen und zu organisieren. Mit Tags beschreiben Sie Ihre Dokumente inhaltlich und sachlich. Wie Sie unter anderem Ihren Word-Dateien auf Ihrem PC Tags vergeben oder ihre Fotos taggen, darüber gibt dieser (englischsprachige) Blog-Beitrag von Zapier einen guten Überblick.

Tags werden auch als Keywords, Schlagwörter oder Stichwörter bezeichnet. In der Bibliothekswelt beschränken sich Stichwörter jedoch nur auf einen Begriff, der wörtlich im Titel eines Mediums verwendet wurde. Dazu später mehr.
Tags spielen auch online eine Rolle. Webseiten werden durch Metatags ausgezeichnet und auch Hashtags auf Twitter oder anderen Social-Media-Kanälen sind Tags. Hashtags helfen insbesondere dabei, Postings zu einem bestimmten Thema zu entdecken, denn ohne ein Hashtag wie #PhDChat würden nur Ihre Follower von Ihrem Beitrag erfahren. Dank des Hashtags öffnen Sie Ihr Posting für die Öffentlichkeit, da es über den gekennzeichneten Suchbegriff auffindbar wird. Über gut gewählte Hashtags erhalten Sie ein noch größeres Publikum und verwenden ein zusätzliches Kommunikationsmittel, über das sich auch Trends ermitteln lassen.
Auch in Blogs werden Tags eingesetzt, um Themen zu kennzeichnen. Alle Tags der Blog-Beiträge können in Form einer Tag-Cloud visualisiert werden, wobei die am häufigsten verwendeten Tags am größten sind.

Das Finden und Entdecken stehen somit im Fokus der Tag-Vergabe. Ziel ist es nicht (nur), alle Dokumente ordentlich abzulegen. Hinter den Mühen steckt das Ziel, dass Sie später genau dann, wenn Sie nach dem Dokument suchen, es schnell wiederfinden. Umso schneller geht das, wenn Sie jedem Dokument mehrere Tags vergeben. So haben Sie nicht nur einen Einstiegspunkt für das Wiederfinden, sondern gleich mehrere.

Bei Tags gibt es keine tiefen Verschachtelungen wie vergleichsweise bei Ordnern, welche Dokumente tief in Ihren Strukturen verstecken. Tags sind nicht hierarchisch gegliedert und damit deutlich flexibler. Sie müssen sich keine Gedanken darüber machen, ob Sie einen weiteren Unterordner anlegen möchten oder ob Ihre Struktur dadurch zu unübersichtlich wird. Sie vergeben einfach ein weiteres Tag.

 

Eigenes Tag-System entwickeln

Vergeben Sie Tags an Ihre Dokumente genauso, wie Sie die Eigenschaft einer Person beschreiben würden. Woran denken Sie als erstes, wenn Sie Ihre Kollegin beschreiben sollten? Sie hat dunkle Haare und ist ein fröhlicher Mensch? Dann könnten die Schlagwörter „brünett“ und „fröhlich“ passend sein.

Das klingt im ersten Moment doch ganz einfach. Wie genau erstellen Sie aber Ihr eigenes Tag-System im Detail?

Die Schwierigkeit besteht darin, den richtigen Begriff zu finden.
Ihre Kollegin hat zwar dunkle Haare, Sie finden den Begriff „brünett“ aber dennoch passender. Warum? Möchten Sie auch Ihren Kollegen mit den ebenfalls dunklen Haaren beschreiben, ist „schwarzhaarig“ die bessere Beschreibung. Die Haarfarben der beiden Kollegen passen schlicht nicht in dieselbe Schublade.
Sie sollten sich also zunächst Gedanken darüber machen, wie eng oder weit Sie Ihre Begriffe fassen möchten. Reicht „dunkelhaarig“ als weite Begriffsfassung aus oder möchten Sie eine feinere Gliederung mit engeren Begriffen wie „brünett“?

Die nächste Frage, die Sie sich stellen sollten, ist der Umgang mit Synonymen. Warum haben Sie sich für „brünett“ entschieden und nicht „braunhaarig“ oder gar „braunes Haar“ gewählt? Sie könnten Ihre Entscheidung daran festmachen, welcher Begriff Ihnen geläufiger ist oder daran, welcher Begriff in Wörterbüchern oder Nachschlagewerken wie dem Duden bzw. Ihrem Fachwörterbuch primär verwendet wird.

Halten Sie in jedem Fall den Begriff schriftlich fest, für den Sie sich entschieden haben. Das macht schon Sinn, sobald Sie mehr als zehn Tags nutzen. So besteht nicht die Gefahr, dass Sie später vergessen, welche Begriffe Sie bereits vergeben haben. Sie könnten eine Liste erstellen und Ihre Tags alphabetisch sortieren. Nach und nach wächst so Ihr eigener Thesaurus (altgriechisch: „Schatz“) an.

Trotz Ihrer Tag-Liste sollten Sie bei Ihrer Entscheidung sicher gehen, dass Sie sich später noch an den gewählten Begriff erinnern können. Das fällt leichter, wenn Sie ein konsistentes System verfolgen. Diese Fragen helfen Ihnen dabei:

  • Bevorzugen Sie alleinstehende Begriffe („brünett“) oder zusammengesetzte Begriffe („braunes Haar“)?
  • Sind Ihnen Begriffe im Singular oder im Plural lieber („braunes Haar“ oder „braune Haare“)?
  • Nutzen Sie gerne zusätzliche Symbole oder Kapitälchen zur speziellen Kennzeichnung von Tags?
  • Bevorzugen Sie kurze Begriffe oder Tags, die sich aus mehreren Wörtern zusammensetzen?

(Wir empfehlen, dass ein Tag aus nicht mehr als zwei Begriffen besteht, z.B. „glattes braunes Haar“ empfinden wir als zu lang.)

Merken Sie später in der Praxis, dass Sie nie nach „brünett“ suchen, da Ihnen der Begriff erst nach angestrengtem Nachdenken einfällt, dann ändern Sie Ihr System wieder. Die Flexibilität der Tags zeigt sich auch hier. Änderungen der Schreibweise oder gar des ganzen Begriffs sind jederzeit leicht möglich.

Bei den Eigenschaften einer Person denkt man sofort an Adjektive.
Wenn Sie Ihren Blick nun weg von Personen hin zu wissenschaftlichen Dokumenten richten, dann sollten Sie bei Ihrem System darauf achten, dass Sie verschiedene Bereiche mit Ihren Tags abdecken. Sie könnten beispielsweise die Form eines Buches beschreiben („Nachschlagewerk“), den Status einer PDF-Datei eines Zeitschriftenaufsatzes („gelesen“), das Land aus dem eine Studie stammt („China“) oder in welchem Labor diese durchgeführt wurde („Langley Research Center“).

Manchmal helfen auch ungewöhnliche Details beim Wiederfinden, die sich somit auch als Tag eignen. Sind Sie ein visueller Mensch und können sich genau an die Farbe eines Fachbuches erinnern, dann können Sie auch ein Tag für „Blau“ vergeben.

 

Bestehende Tag-Systeme übernehmen

Bibliothekare machen sich ähnliche Gedanken, wenn sie Bücher oder andere Medien „verschlagworten“, das heißt Schlagwörter in ihren Bibliothekskatalogen vergeben. Ihr Ziel ist es, dass Sie als Nutzer der Bibliothek, das Buch finden können. Die Schlagwörter werden dabei aus verschiedenen Bereichen gewählt, um einen breit gefächerten Zugang zum jeweiligen Werk zu ermöglichen: Schlagwörter zur Person (Autor, Übersetzer), der Geographik, dem sachlichen Inhalt, der Zeit und der Form des Werkes. Auf analogen Katalogkarten wurden sogenannte „Schlagwortketten“ gebildet, in welchen die unterschiedlichen Begriffe aus den verschiedenen Bereichen kombiniert wurden. Heutzutage ist dies dank Online-Katalogen oder -Datenbanken nicht mehr nötig. Jedes Schlagwort steht für sich alleine und kann recherchiert und dabei mit beliebigen anderen Schlagwörtern kombiniert werden. Bibliothekare verwenden hierfür ein sogenanntes kontrolliertes Vokabular, das in einem Regelwerk festgelegt wird. Sie gehen dabei nicht anders vor als Sie bei Ihren individuellen Tags:

  • Der Inhalt des Textes wird begutachtet und eingeordnet.
  • Es wird nach passenden Begriffen gesucht, die den Inhalt beschreiben.
  • Die Entscheidung für ein (unter Umständen neues) Schlagwort des Regelwerks wird getroffen.
  • Das Schlagwort wird kontrolliert, sodass es z.B. keine Mehrdeutigkeiten gibt.

Möchten Sie für die Schlagwörter Ihrer Literatursammlung auch auf kontrolliertes Vokabular zurückgreifen, können Sie beispielsweise die Gemeinsame Normdatei der Deutschen Nationalbibliothek (über die Erweiterte Suche im Katalog kann auf Normdaten wie „Sachbegriffe“ eingeschränkt werden) oder die amerikanischen Library of Congress Subject Headings verwenden. Im medizinischen Bereich haben sich die MeSH terms (Medical Subject Headings) etabliert, die vor allem für die Datenbank MEDLINE verwendet werden. In diesen normierten Daten finden Sie meist auch Verweise zu Synonymen des Schlagwortes, die Sie unter Umständen lieber verwenden möchten.

Die bibliothekarischen Standards eins zu eins für Ihr eigenen Tag-System zu übernehmen, wäre in den meisten Fällen übertrieben. Sie könnten diese aber als Inspirationsquelle für passende Begriffe für Ihr eigenes System zu Rate ziehen. In der Regel ist Ihr persönliches System völlig ausreichend.

 

Tag-Systeme in Literaturverwaltungsprogrammen

Wenn Sie ein Literaturverwaltungsprogramm nutzen, um Ihre wissenschaftlichen Dokumente zu organisieren und später zu zitieren, können Sie Tags innerhalb dieses Programms vergeben.

Der klare Vorteil bei Literaturverwaltungsprogrammen im Vergleich zur früheren Katalogkarte in Bibliotheken ist, dass Sie alle Begriffe der Titeldaten einer Quelle bereits automatisch durchsuchen können. Für die Wörter, die beispielsweise im Titel vorkommen oder die Autorennamen, benötigen Sie demnach keine weitere Einstiegsmöglichkeit. Eignet sich ein Wort des Titels jedoch als passendes Schlagwort, können Sie es in Ihre Tag-Liste aufnehmen. Diese wird automatisch von dem Programm gepflegt, sodass Sie dadurch keine zusätzliche Arbeit haben.

Beim Import mancher Titeldaten aus Katalogen oder Datenbanken in Ihre private Literatursammlung werden Sie bemerken, dass ohne Ihr Zutun Schlagwörter übernommen werden. Beispielweise werden Sie nach einer Recherche in PubMed mit großer Wahrscheinlichkeit MeSH terms in Ihrer Literaturverwaltungssoftware vorfinden.

Der Vorteil davon ist, dass Sie die Suchbegriffe, die Sie schon aus den Datenbanken kennen, in Ihrer eigenen, privaten Datenbank weiterverwenden können. Ihnen steht selbstverständlich frei, diese Begriffe anzupassen oder um eigene Begriffe zu ergänzen. Möchten Sie den Import komplett verhindern, können Sie dies beispielsweise im Literaturverwaltungsprogramm Citavi in den Recherche-Optionen festlegen. Das macht insbesondere dann Sinn, wenn Sie ein detailliertes, eigenes Schlagwortsystem entwickeln und nutzen möchten. Alle Schlagwörter werden in Citavi in einer Liste gepflegt und lassen sich später bearbeiten, zusammenführen oder löschen.

Andere Literaturverwaltungsprogramme bieten Ihnen auch eine visuelle Hilfestellung bei der Tag-Vergabe. In Zotero können Sie beispielsweise Tags farbig kennzeichnen.

Jetzt liegt es an Ihnen, Ihren eigenen Schatz zu erschaffen! Übernehmen Sie entweder bestehende Systeme, erstellen Sie Ihren eigenen Tag-Thesaurus oder kombinieren Sie beide Ansätze. Ihr persönlicher Wort-Schatz dient nur Ihnen und Ihrer Literatursammlung.

 

Für welches Tag-System haben Sie sich entschieden? Haben Sie selbst ein neues System aufgebaut oder „recyceln“ Sie institutionelle Schlagwörter? Wir freuen uns, wenn Sie Ihre Erfahrungen auf unserer Facebook-Seite teilen.

 

Quelle:

Gantert, Klaus; Hacker, Rupert (2008): Bibliothekarisches Grundwissen. 8., vollst. neu bearb. und erw. Aufl. München: Saur. ISBN: 9783598117718

Erstellt von: Jana Behrendt – Veröffentlicht am: 19.11.2019
Tags: Wissen managen


Über Jana Behrendt

Jana Behrendt interessiert sich für alles rund um die persönliche Wissensorganisation – wie man es von einer studierten Bibliothekarin erwarten würde. Dafür liest sie in Ihrer Freizeit ziemlich wenig. Sie liebt es aber, in den Schweizer Bergen zu wandern – solange sie nicht nach unten schauen muss.

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